Montag, 14. Mai 2018

Gotham Sounds Festival VI - 28./29.04.2018, Hilden


Wie die Zeit doch vergeht; mittlerweile ist es in 2018 schon das sechste Mal, dass die Macher des GOTHAM SOUNDS FESTIVAL die schwarze Gemeinde zu sich rief, um wie gewohnt an zwei Abenden insgesamt acht Bands auf der Bühne des 'Area 51', der Jugend- und Begegnungsstätte in Hilden, zu präsentieren. Mit 'Batcave-Design' und 'Unlicht' konnten zwei junge Unternehmen ihre Mode- und Schmuck-Kollektionen den Freunden von dunklem Rock vorführen und die Crew der Lokalität sowie ebenfalls schon fast traditionell teilnehmende 'Beirut-Grill' sorgten für das leibliche Wohl zu wirklich fairen Preisen. Erfreulich war am ersten Abend schnell festzustellen, dass sehr viele Interessierte auch dem Ruf gefolgt waren. Das Line-Up war aber auch besonders an diesem Abend ein wirklich erlesenes...

Den Auftakt auf der Bühne machen mit einer klitzekleinen Verzögerung die aus dem Ruhrgebiet stammende Band MELANCULIA. Wem das zuvor nichts sagte, dem kamen vielleicht die Gesichter bekannt vor und sollte bei dem Gesang stutzen. MELANCULIA sind ein psychedelischer, mit Indie-Rock und Alternative-Rock durchgerührter Seitensprung der Gothic-Rock Band AEON SABLE. Richtig, hier ist der Großteil der Mannen um Sänger Nino Sable am Werke. Das Projekt konnte auf der Bühne mit tollen Werken wie dem Opener 1979 oder dem episch zu nennenden Werk Long Road Out Of Hell sehr schnell überzeugen, zumal man besonders Nino anmerkte, dass er die Songs regelrecht durch- und erlebte. Die Gestik des Sängers konnte kaum gezähmt werden. Ein wirkliches Produkt aus der Zuneigung zur Musik entsprungen, welches die vielen Fans sehr beeindruckte. Mit On The Road war nach gut fünfundvierzig Minuten der Auftakt des diesjährigen Gotham Sounds Festivals gemacht – und dafür mit MELANCULIA der perfekte Anheizer gefunden worden.

MELANCULIA
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)


Für alle Liebhaber dunkler Töne, die auf rockigen Gitarren basieren, stellt Italien mittlerweile die berühmte Austernmuschel dar. Das Land bringt immer wieder wunderbare Perlen dieses und seiner benachbarten Genres hervor, so dass man bei dem Suchen nach Bands für ein Festival an den Südeuropäern gar nicht vorbeikommt. Dieses Jahr präsentierte sich das Quartett von DER HIMMEL ÜBER BERLIN; ein Name, der gerade in unseren Landen Aufsehen erregt. Musikalisch gelingt dies den seit 2011 agierenden Jungs ebenfalls. Ohne große Worte zu verlieren brachte die Band mit Songs wie dem eingängigen The Chosen Ones oder sehr rockigen Kafka Motel den Zuschauern nahe und konnten gewiss nicht wenige neue Fans hinzugewinnen, denn Der Himmel Über Berlin ist eine wirklich sehr gute Live-Combo. In ihren Gothic-Rock Songs, die jede Menge Post-Punk Spirit beinhalten, bewiesen die Italiener das spielerisch und boten einen tollen Auftritt über gute 50 Minuten.


DER HIMMEL ÜBER BERLIN
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)


Was nun folgte, möchte ich schon heute gerne als Highlight aller Gotham Sounds Festivals bezeichnen! Wer hätte sich vor Jahren träumen lassen, die in den Achtziger Jahren stark gefragte und zum Kult mutierte britische Band THE DANSE SOCIETY nach der Jahrtausendwende einmal live erleben zu dürfen. Ich möchte hier gar nicht auf die Diskussion der Namensrechte eingehen; ein Blick auf die Setlist der fünf Engländer genügte, um zu wissen, wer hier spielte – das Original. Die Ausnahme bildete der neu hinzu gestoßene Sänger Jonathan Gridford, welcher sich aber mit Songs beginnend beim Opener Come Inside über Clock bis hin zu Hide beweisen konnte, dass er die richtige Wahl war. Somit waren die dargebotenen Songs allesamt aus den Anfangsjahren der Band – trotz neu erschaffenen Tracks, welche auf dem Silberling wirklich überzeugen, wussten das Quintett genau, was ihre Fans wollten. Und das bekamen sie! Eine musikalische traumhafte Reise über sechzig Minuten hatte wohl so ziemlich jeden Fan mitgenommen, welche mit dem Knaller We’re So Happy eigentlich endete. Der Applaus und die unbegrenzte Spielfreude von THE SOCIETY ließ den Song Wake Up nochmal als Zugabe hinterher hallen. In den Gesichtern der Zuschauer erkannte man jede Menge fast kindlich zu nennende Freude, was keinesfalls negativ zu sehen war. Für viele war ein Traum wahr geworden!

THE SOCIETY
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)


Für romantisches Schwärmen blieb allerdings nicht so viel Zeit, denn der Abend war noch nicht zu Ende – bei weitem nicht! Ähnlich wie bei der vorherigen Band waren mit B.F.G. nun eine kultig zu nennende Band auf der Bühne, was sich vor Jahren ebenfalls niemand hätte träumen lassen. Übrigens ermöglichte dies der treue Fan Jürgen J., welcher mit einer einfachen E-Mail schlicht die Bandmitglieder anfragte, ob man sich nicht nochmals zusammenraffen und bestenfalls in Berlin auftreten könnte? Der Mythos um eine der sehr gefeierten Bands der großen Zeit des Gothic-Rock und Dark Wave wurde wiedergeboren. Und verdammt, das Sextett mit drei Gitarristen bewies, dass dies mehr als begründet ist. Love Grind oder Anonymous knallten in die Ohren wie eine alte Liebe, welche das Herz neu erobert – und dies ohne Kitsch und Plattitüde! Mit dem Gitarristen Elliot Wheeler war dann der meistbeschäftigte Musiker auf der Bühne, war dieser doch schon zuvor mit THE SOCIETY aktiv gewesen. Sänger B.J. Williams hatte einiges zu berichten und war wie alle Mitglieder sichtlich glücklich, diese Reunion Sache gestartet zu haben. In den reifen Herren steckt nämlich noch jede Menge Feuer. Gerade der zugestiegene Gitarrist Zero tobte sich auf der rechten Seite der Bühne lebhaft aus und malträtierte das Band-Maskottchen – eine recht blanke Puppe namens Judas – doch gehörig, um ihr danach auch Kuscheleinheiten zu schenken. Selbst Tracks wie Western Sky oder Higher Than Heaven, welche B.F.G. mit einem anderen Sänger vor gut dreißig Jahren verewigt hatten, brachte das Urgestein am Mikrophon famos rüber. Mit der bombastischen Zugabe von Paris und Amelia gaben die Briten den Festival-Besuchern dann den mehr als befriedigenden Rest. Und die Aussicht auf ein neues Album lässt hoffen, dass B.F.G. uns noch einige Zeit erhalten bleibt!

B.F.G.
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)


Wer nach den Live-Auftritten nun noch nicht genug Musik intus hatte, konnte sich mit den Songs aus der Konserve auf der After-Show-Party gänzlich verausgaben. Aber es gab auch noch die Gelegenheit auf einen netten Plausch oder einem Schlummertrunk. Ein mehr als denkwürdiger Abend neigte sich so langsam zu Ende!

Am Sonntag startete dann der zweite Teil des Gotham Sounds Festival. Bekannte Gesichter vereinten sich erneut im und um die Area 51 gespannt auf den Fortgang auf der Bühne.

An diesem chilligen Sonntag war wohl jeder Fan dankbar, dass mit der deutschen Formation LA SCALTRA eine eher ruhigere Band den Auftakt des Abends wagte. Mit den tiefgründigen und sphärischen Songs wie dem Einstieg The Garden oder Visions Of Glass brachte das Quartett mit dem gesanglichen Mittelpunkt von Aeleth Caven und Dae Widow die leider an diesem zweiten Tag nun ziemlich dezimierte Fangemeinde in die richtige Stimmung. Schon alleine mit den Totenlichtern sowie dem zentralen Totenschädel die Bühne wärmend dekoriert, hatte sich das Quartett ziemlich Mühe gegeben und sichtbar einiges Herzblut in den Abend gesteckt. Da war den ferngebliebenen Zuschauern einiges entgangen, was wohl weniger an den Bands dieses zweiten Tages, sondern wohl eher an dem kommenden Arbeitstag lag. Die angereiste schwarze Familie konnte jedoch genüsslich den aufgepäppelten Track Holidays empfangen und sogar mit dem Song The Spell einen brandneuen Song entdecken. Dazu wurde mit Saeda Moreau direkt die neue Bassistin eingeführt, was übrigens Aeleth mehr Freiheiten auf der Bühne gab und sie diese auch nutzte. Nach guten vierzig Minuten und dem flotten Nightmares hatte La Scaltra die Fans bestens in den Abend gebracht.

LA SCALTRA
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)


Ich muss gestehen, dass das italienische Trio TANKS AND TEARS für mich die Entdeckung des diesjährigen Gotham Sounds Festivals war. Mit druckvollen Songs wie Temple oder War hatten sie mich direkt gepackt und bewiesen gleichzeitig, dass die Band ein exzellenter Live-Act ist. Kräftiger Gitarrensound baute gemeinsam mit den Rhythmus-Instrumenten eine wuchtige Wand auf, die den Hörer im positiven zu erdrücken schien. Dazu die charismatische Stimme von Sänger Matteo Cecchi – also haltet mich nicht für verrückt, aber ein klein wenig erkannte ich darin den Geist von der britischen Formation PLAY DEAD! Der Song Butterfly hat mit Sicherheit nicht nur mich auf Anhieb begeistert und mehr als sympathisch war, dass TANKS AND TEARS mit dem melodiösen Song Danger noch eine schnelle Zugabe hinterher schoben. Auch wenn schon einige Jahre aktiv, man sollte die Italiener wirklich im Auge behalten – und Live-Auftritte unbedingt besuchen. Sie sind es wert!

TANKS AND TEARS
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)


Wer in den Achtzigern die Band SIOUXIE AND THE BANSHEES geliebt hatte, der konnte sich bestimmt für die nächste Band begeistern. Mit COCKATOO kam nun der Act mit den meisten Anreisekilometern auf die Bühne, denn das Quartett war für eine kleine Europa-Tour mit Auftakt auf dem Gotham Sounds Festival aus dem fernen Kanada angereist. Es scheint nach dem letztjährigen Auftritt von TRAITRS bald Tradition zu werden. Auf jeden Fall war schon mit dem Opener Drum Song die Marschrichtung wie erwähnt angegeben. Die ziemlich aussagekräftige Stimme von Gitarristin und Sängerin Robyn Bright führte durch ein interessantes musikalisches Programm, aus dem Tracks wie Kashikikawa oder Kill herausstachen. Ob die Combo müde der Anreise oder beeindruckt der Location war; es warf ein leicht statisches Bild auf das Bühnengeschehen. Trotzdem konnten die Songs wie Otto’s Song, bei dem die Band nochmals neu ansetzte, oder der Abschluss Contrarians sehr überzeugen und COCKATOO sollten schon vor der Weiterreise nach unter anderem Berlin und Bielefeld einige neue deutsche Fans mehr auf ihrem Habenkonto wissen!

COCKATOO
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)


Aus den Unstimmigkeiten der Band SAD LOVERS AND GIANTS entstanden, gingen die Briten von THE SNAKE CORPS ihren eigenen musikalischen Weg, welcher Mitte der Neunziger stoppte und im neuen Jahrtausend immer wieder mal neu aufgenommen wurde. Seit 2016 macht das Quartett nun Ernst und veröffentlichte wieder neues Material. Dies wurde natürlich beim finalen Auftritt des diesjährigen Gotham Sounds Festival mit in die Setlist gepackt. So überzeugten die ebenfalls reifen Herrschaften von dem Opener Seagulls Eye an mit ihrem melodiösen Wave-Rock, welcher immer wieder sanft mit Merkmalen des Post-Punk unterzogen wurde. Lieder wie In Flux oder Victory Parade nahmen die Fans mit und ließen diese träumerisch dahintreiben. Mit einem überzeugenden Sound in den Räumlichkeiten konnten die Musiker um Sänger Marc Lewis nach guten siebzig Minuten einen äußerst würdigen Vorhang herunterlassen – allerdings war niemand wirklich gewillt. So war das Quartett schnell wieder zurück auf der Bühne und legte erstmal mit This Is Seagull ein fesselndes Instrumental-Stück hin, was mit zwei Gitarren ein traumhaftes Soundgebilde ergab. Crimson And Clover sollte eigentlich den Abend wirklich beenden, doch beflügelt durch den Applaus versuchte sich Herr Lewis erst an Sinatra, allerdings legte THE SNAKE CORPS einfach nochmal Science Kills nach, packte noch More Than The Ocean obendrauf und ließ sich auch noch von den verbliebenen Fans zu einem erneuten In Flux hinreisen. Letztlich endete damit das Gotham Sounds Festival 208 endgültig und hinterlässt freudige Fans, die sich wohl noch auf weitere Aktivitäten von THE SNAKE CORPS freuen können!

THE SNAKE CORPS
(photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com)



Auch an diesem Abend schloss eine After-Show Party den Abend sowie die sechste Ausgabe des familiären Festivals. Als Fazit bleibt zu sagen, dass das Gotham Sounds bewies, dass es mehr als jeden Cent wert ist; die Bands liebevoll und mit Bedacht ausgewählt wurden, die Lokalität einfach sehr passend ist und insgesamt die Stunden in der Area 51 unvergessen bleiben. Mit THE SOCIETY und B.F.G. haben die Macher und alle Helfer im Hintergrund sogar ein Highlight in der eigenen, mittlerweile recht illustren Festival-Geschichte geschaffen. In großer Hoffnung auch wieder im kommenden Jahr nach Hilden anreisen und jede Menge bekannter wie heranreifende Bands erleben zu dürfen verbleiben wir am besten mit liebsten Grüßen und einem mega-fetten Dankeschön!

Diesen Konzertbericht ermöglichten:
Monkeypress (schaut euch die tollen Bilder von Daniel Beiderwieden an) und Gotham Sounds ...
Vielen Dank, ihr Lieben!

Datum: 28./29.04.2018
Ort: Hilden
Location: Area 51
Spieldauer: Melanculia 45 min. / Der Himmel Über Berlin 50min. / The Society 55min. / B.F.G. 70min. / La Scaltra 40min. / Tanks And Tears 45min. / Cockatoo 50min. / The Snake Corps 105min.

Setlist MELANCULIA:
01. 1979
02. Spider Dance
03. In The Shadows
04. Long Road Out Of Hell
05. Part Of Everything
06. Póvoa De Varzim
07. On The Road

Setlist DER HIMMEL ÜBER BERLIN:
01. Salvation
02. The Chosen Ones
03. Sweet Dancing Butterfly
04. Black Dress
05. Alone In My Room
06. Dead Souls
07. Kafka Motel
08. Poison On Your Tongue
09. Amnesia
10. My Rubber Queen
11. Cold Fever

Setlist THE SOCIETY:
01. Come Inside
02. Wake Up
03. Godsend
04. These Frayed Edges
05. Clock
06. Red Light
07. All I Want
08. The Seduction
09. My Heart
10. 2000 Light Years From Home
11. Heaven Is Waiting
12. Somewhere
13. Hide
14. We’re So Happy
Zugabe:
15. Wake Up

Setlist B.F.G.:
01. Love Grind
02. Anonymous
03. Switch
04. Myth Club
05. Eastern Eye
06. Brain Chage
07. Pulse
08. Unsure, She Said
09. Western Sky
10. Higher Than Heaven
Zugabe:
11. Paris
12. Amelia

Setlist LA SCALTRA:
01. The Garden
02. Devil’s Playground
03. Chained Hysteria
04. Visions Of Glass
05. The Cat Lady
06. Holidays
07. The Spell
08. Nightmares

Setlist TANKS AND TEARS:
01. Temple
02. Inca
03. War
04. Hills Of Death And Blood
05. Trying To Forgive
06. Breath
07. Jump Into Your Heart
08. Butterfly
09. Under A Cloud
10. Plasticine
Zugabe:
11. Danger

Setlist COCKATOO:
01. Drum Song
02. Stupid Poppy
03. Whispers
04. Kashikikawa
05. Abyss
06. Cautionary Tale
07. Otto’s Song
08. Orpheus
09. Kill
10. Flicker
11. Contrarians

Setlist THE SNAKE CORPS:
01. Seagulls Eye
02. Another Place
03. Colder Than The Kiss
04. Animals All
05. In Flux
06. Calling You
07. Strangers
08. The Ocean Calls
09. Science Kills
10. House Of Man
11. Victory Parade
12. Imagination
13. Testament
14. Some Other Time
Zugabe I:
15. This Is Seagull
16. Crimson And Clover
Zugabe II:
17. Science Kills
18. More Than The Ocean
19. In Flux

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