Vierzig Jahre sind mittlerweile ins Land gezogen – DIE TOTEN HOSEN trinken zwar nicht mehr ohne Verstand; sind allerdings immer noch da und machen immer noch gute Musik. Grund genug, dies mit einer ausführlichen Tour zu Feiern. Dazu wurden jeweils Freunde und Bekannte eingeladen; auch talentierte Nachwuchsbands sollten ihre Chance erhalten. Diese denkwürdige Tour fand im September im ostwestfälischen Minden im Rahmen des 'Kultursommers' seinen Abschluss, bei dem es dann nochmal richtig zur Sache gehen sollte. Direkt drei Vorbands bot das Tagesprogramm auf – eine jede Menge Musik also für die ca. 40.000 angereisten Fans.
Den Auftakt machte die deutsche Newcomer Band DEINE COUSINE, die mit sehr melodiösen Punk-Rock zu überzeugen wusste. Sängerin Ina Bredehorn war vom ersten Song Träume findet man im Dreck wie ein Derwisch auf der Bühne und heizte die schon stark vertretenden Massen ordentlich ein. Dabei stand das Quintett wahnsinnig freudig unter Strom, war immerhin ihr zweites Album mit dem Titel 'Ich bleib nicht hier' am Start und die dazugehörige Single Scheiß auf Ironie, bei der die Fans lauthals unartige Worte rufen durften. Leider hatte DEINE COUSINE nur eine halbe Stunde, die sie mit so tollen Liedern wie St. Pauli - einer Hymne auf die Heimat der Band - und dem abschließenden etwas ruhigeren Bring mich nach Hause bestens füllten. Sichtlich dankbar gingen sie nach einer äußerst guten Zeit von der Bühne. DEINE COUSINE solltest du unbedingt mal kennenlernen - kommt gut...
DEINE COUSINE
photo: © Ralf Michael Benfer / benfisworld.blogspot.com
Auch schon zweiunddreißig Jahre sind die Punk-Rocker BETONTOD aktiv. Warum sie gar nicht den Bekanntheitsgrad wie DIE TOTEN HOSEN haben? Gute Frage - vielleicht liegt es daran, dass ihre Songs doch hauptsächlich dem Alkohol zugesprochen sind. Allerdings macht gerade dies das rheinische Ruhrpott Quintett aus. Lieder wie Hömmasammawommanomma oder Glück Auf! machen einfach Spaß und auch jede Menge Durst. Sehr energiegeladen ballerten die auch schon reiferen Herren ihre Songs auf die Massen, die begeistert mitsangen. So ganz unbekannt sind BETONTOD nun doch nicht. Und mit dem Song Viva Punk! haben sie nun eine richtige Hymne für die Szene geschrieben - besser beschreibt kein Text das Gefühl des Punk-Rock. Leider hatten auch BETONTOD nur dreißig Minuten Spielzeit, die wunderbar mit dem Traum von Freiheit endete und in meinen Augen aber der große Anheizer des Abends waren, da ihre Musik doch sehr an frühe Zeiten von DIE TOTEN HOSEN erinnern. Ein alleiniges Konzert der Band sollte unbedingt auf den Notizzettel für alle Freunde des Punk-Rock!
BETONTOD
photo: © Ralf Michael Benfer / benfisworld.blogspot.comMit den BEATSTEAKS kamen als letzter Gast eine Band auf die Bühne, die nicht gerade für klassischen Punk-Rock stehen. Man erkennt die Wurzeln bei den Jungs aus der Hauptstadt definitiv schon, doch ihre vielseitigen Einflüsse lassen sie eher einer Alternative-Rock Band gelten. Und eben das macht das Sextett aus. Lieder wie Hello Joe oder das wohl bekannteste Lied Hand In Hand haben ihren eigenen Charme und Energie. Bei letzterem holte Sänger Arnim Teutoburg-Weiß einen jungen Fan auf die Bühne und wies ihn in die Leichtigkeit des Stage Diving ein, was der Junge schließlich auch nachahmte. Sehr stark sind die BEATSTEAKS übrigens bei Cover-Versionen. Hey du von der deutschen Gesangslegende Ilona Schulz wurde sehr gut umgesetzt und mit einem Ausschnitt von Zu Spät der Berliner Kollegen DIE ÄRZTE noch verfeinert. Mit dem QUEEN Klassiker I Want To Break Free, welches sogar noch etwas aus Radio Gaga inne hatte, war der Auftritt der Hauptstädter mehr als gelungen. Knappe 45 Minuten durften die BEATSTEAKS gewähren, bis dann nach dem Umbau der Höhepunkt des Abends serviert wurde.
Mit einem wunderbaren Intro, was über die riesigen Leinwände der übergroßen Bühne ablief, startete das Set von DIE TOTEN HOSEN. In Italo-Western Manier wurden die Bandmitglieder Campino, Breiti, Andi, Kuddel und Vom vorgestellt, ehe die Band mit ihrem jüngsten Output Alle sagen das mit der Live-Musik starteten. Voll engagiert wollte das Quintett den Tour-Abschluss zum vierzigjährigen Bestehen gebührend gestalten. So war die Setlist auch dementsprechend bunt gemischt. Alte Klassiker wie Liebeslied oder Wünsch DIR was vermengten sich mit jüngeren Songs wie Laune der Natur oder Altes Fieber. Dabei moderierte Sänger Campino oftmals die Songs und gab nebenbei noch den Zwischenstand des laufenden Spiels der geliebten Fortuna Düsseldorf durch. Außerdem wurden von den Bandmitgliedern sehr gerne die Seitenläufe der Bühne benutzt, um sich auch den eher seitlich stehenden Fans präsentieren zu können. Und das waren ja nicht wenige. Ganze Familien waren ebenso wie Alt-Punks angereist, um diesen besonderen Tag gemeinsam erleben zu können. Die einen feierten eben ältere Songs wie den Cover-Klassiker von DIE ROTEN ROSEN Halbstark oder mit Pushed Again einen der wenigen selbstgeschriebenen englischen Songs ab, andere hingegen erfreuten sich an den Roadmovie erinnernden Song Bony & Clyde oder dem harmonischen Wannsee. Die Leinwände übertrugen tolle Kameraaufnahmen auch für die hinteren Reihen zwischen den beängstigend vielen Bierrondellen und Fressständen. DIE TOTEN HOSEN feierten sich und die Fans gnadenlos ab, was unter anderem die Coverversion von IGGY AND THE STOOGES The Passenger bewies und dankten für die vielen Jahre. Mit dem Knaller Hier kommt Alex fand dann das Set sein gebührendes - natürlich nur vorläufiges - Ende.
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Eine Zugabe war ja an diesem Tage mehr als selbstverständlich, zumal das Fortuna-Spiel auch noch nicht zu Ende war. Wunderbar im Duett mit dem BEATSTEAKS Sänger Arnim wurde diese mit dem THE CLASH Klassiker Should I Stay Or Should I Go eröffnet. Das englischsprachige Carnival in Rio (Punk was) erinnerte an die aufregenden Südamerika-Zeiten der HOSEN und machte mächtig Freude. Da war es auch total egal, dass nun der Himmel letztlich doch seine Schleusen öffnete und die Fans einmal richtig durchweichte. Es hätte mit Schönen Gruß, auf Wiederseh'n schon einen tollen Abschluss gegeben, doch die Rheinländer hatten noch einiges im Petto. Die zweite Zugabe schien mit Tage wie diese, dem DIE ÄRZTE Cover Schrei nach Liebe und dem vom FC Liverpool bekannten Schlachtensong You'll Never Walk Alone dem jüngeren Fan-Publikum maßgeschneidert worden zu sein, was Campino dann auch in der finalen Zugabe verkündete. Zu guter Letzt gab es erstmal als nachgeholte Vorstellung der Band den Klassiker Opel-Gang, dem der ebenfalls alte Track Musterbeispiel folgte. Da die HOSEN noch nicht auf die Couch wollten legten sie noch die Treue-Bekundung Viva la Revolution nach und ein knallhartes Eisgekühlter Bommerlunder beendete einen legendären Tag - denn es waren nun schon einige Stunden Live-Musik geboten worden. Dankeschön an die tollen musikalischen Gäste - und natürlich Dankeschön an DIE TOTEN HOSEN, die mir persönlich vieles im Leben gaben und mich somit mit prägten. Punks not dead...
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Datum: 10.09.2022
Ort: Minden
Location: Kanzlers Weide
Spieldauer: ca. 135 min.
Setlist:
01. Alle sagen das02. Auswärtsspiel
03. Altes Fieber
04. Paradies
05. Bonny & Clyde
06. Liebeslied
07. 112
08. Laune der Natur
09. Niemals einer Meinung
10. Du lebst nur einmal (vorher)
11. Halbstark
12. Alles was war
13. Helden und Diebe
14. The Passenger
15. Wannsee
16. Unter den Wolken
17. Alles wird vorübergehen
18. Pushed Again
19. Steh auf, wenn du am Boden bist
20. Alles aus Liebe
21. Wünsch DIR was
22. Hier kommt Alex
Zugabe I:
23. Should I Stay Or Should I Go
24. Carnival in Rio (Punk Was)
Zugabe I:
23. Should I Stay Or Should I Go
24. Carnival in Rio (Punk Was)
25. Zehn kleine Jägermeister
26. Schönen Gruß, auf Wiederseh'n
Zugabe II:
27. Tage wie diese
28. Schrei nach Liebe
29. Freunde
30. Yo'll Never Walk Alone
Zugabe III:
31. Opel-Gang
32. Musterbeispiel
33. Viva la Revolution
34. Eisgekühlter Bommerlunder
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