Donnerstag, 27. April 2023

Dark Skies Over Witten VII - Witten, 24.03.2023


Lasst mich Euch berichten von den Erlebnissen meiner Reise unter dem dunklen Himmel zu Witten. Ein gewaltiges Spektakel sollte dort abgehalten werden – die Schwarze Szene traf sich zu einem musikalischen Stelldichein; geladen waren namenhafte Musikusse aus dem hiesigen sowie den benachbarten Ländereien. Diese aufregende Zusammenkunft war indes jedoch keine Neuerung; dieses Spektakel unter dem dunklen Himmel wurde nun schon zum siebten Male abgehalten. Ich erlaube mir, freudig auszurufen, dass die Initiatoren Anno 2023 ganze zwei Nächte den dunklen Klängen huldigen wollten, was in diesen unsicheren Zeiten ein gewagter Entscheid war. Ob dieser nun lohnend war, werde ich in den folgenden Zeilen zum Ausdruck bringen – ganz gewogen im Auftrage des Affen-Anzeigers…

Die Lokalität der Wittener Werk°Stadt erwies sich als eine heimelige, die neben den üblichen Getränken außerhalb auch einen Stand mit vorwiegend südöstlichen Warmspeisen bereithielt. Dazu konnte man noch jede Menge Handarbeit mit Bezug auf die Schwarze Szene bestaunen sowie gegen bare Münze erkaufen. Die musikalischen Spezialitäten indes gab es eine Etage höher in einem an eine Schul-Aula erinnernden Saal. Und recht pünktlich pries Carsten Frauendorf, der leitende Kopf der Initiatoren, den ersten musikalischen Akt an.
Hierbei handelte es sich um eine lokale Größe, die schon in der Blütezeit der Schwarzen Musik über die landesüblichen Grenzen hinaus ihren Bekanntheitsgrad zogen. Die Rede ist von DAYS OF SORROW, welche mitunter durch die einst heilige Stätte, dem Zwischenfall ihre Erfolgsreise starteten. Diese soll nun mit neuem Material wiederauferlebt werden und mit großem familiären Fan-Tross angereist, legten die drei Musiker mit dem Stück Travel los. Einen Kessel Kunterbuntes gab es in der Folgezeit unter einer recht spärlichen Beleuchtung in Rot und Blau zu Lauschen. Ob nun altbekanntes Liedgut wie Wild World oder dem leider immer noch aktuellen Song War, sowie neuere Ergüsse namens Shadows oder Lost – DAYS OF SORROW erweckte dies gedachte Spektakel zu Witten mit Bravour. Gitarrist Andre Schreiber wechselte ab und an zwischen Sechs- und Viersaiter, da der Bassist der Band sich wohl noch nicht für neue Auftritte geeignet erschien. Gerade durch die Synthies und Samples von Tastenmann Claudio Stöber erinnerte mich der gesamte Raumklang an die britischen Elektro-Wave Streiter Cassandra Complex, um es den Unwissenden irgendwie näher zu bringen. Sehr erfreut über die Gelegenheit dankte Sänger William Lennox den Veranstaltern im Namen der Band; das übrigens in einen liebevoll mit Rosen bestückten Mikroständer. Mit der neuen Auskopplung Firestar beendeten Days Of Sorrow minutiös genau ihren fünfzigminütigen Auftritt, der erhoffen lässt, in Zukunft wieder mehr der heimischen Herrschaften zu Hören.

DAYS OF SORROW
photo: © Ralf Michael Benfer / benfisworld.blogspot.com

Der Start war gemacht und nach der geplanten Unterbrechung für Umbauarbeiten gab es nun auf der Bühne fast gar nichts mehr zu erblicken. Die gotischen Rocker von SWEET ERMENGARDE hatten die Saalerhöhung betreten. Ohne große Worte legte das Quintett los und ließ die Musik in einer großartigen Akustik sprechen. Diese ist nun mit Drew Freeman am Mikrophon ausgestattet – eine gewaltige Optimierung durch seinen kräftigen Bariton. Mit neuen Tracks wie Fragments und Faith Healer wurde das Set gestartet und mit einigen Klassikern der Band wie Near Dark sowie Carmilla aus den beiden Studioalben der Band mächtig aufgebauscht. SWEET ERMENGARDE suchen nicht viele Worte; Drew fragte jedoch, ob die anwesenden Zuschauer das Wochenende genießen würde. Ansonsten vermittelten die Lichteffekte zu dem atmosphärischen Klang der Musik eine eigene Stimmung, woran das Schlagzeug und dessen Bediener Mischa Kliege einen großen Anteil hatte; eine Schießbude wird auf den Bühnen im dunklen Gothic-Genre leider immer seltener. Groß war die Freude an dem bekannten Werk A Promise To Fulfil. Abschließend hatten die Mannen um Kopf und Bassisten Lars Kappeler noch eine wunderbare Coverversion von Standing By The Sea, einem Song der Hardcore Punk Band HÜSKER DÜ, im Petto. Mit dem Auftritt über gute fünfzig Minuten zeigten SWEET ERMENGARDE, dass sie das Zeug dazu haben, Giganten des Gothic Rock zu werden, da sie viele Einflüsse etablieren und auf ihre Weise umsetzen. Wenn sie nun noch ihre Show etwas weniger statisch gestalten würden, wäre der Tisch bestens gedeckt. Lasst uns gespannt auf die nächste Veröffentlichung und die kommenden Auftritte schauen…

SWEET ERMENGARDE
photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com

Es ist verwunderlich, warum die Menschen immer kämpfen müssen; sei es um Land wie aktuell wieder so massiv oder um einen schlichten Namen. Dadurch wurde aus den einstigen INVISIBLE LIMITS nun Marion Küchenmeister & Band, welche nun das Kommando auf der Bühne übernahmen. Nach dem Intro und dem Lied Sex Symbol antwortete Frontfrau Marion auf die voreiligen Zugabe-Rufe: „Okay, einen spielen wir noch…“ Auch sonst hatte die Sängerin einiges zu erzählen; besonders über die Erinnerungen an vergangene Zeiten in Witten. Aber hauptsächlich ging es auf der Bühne eben um die Musik; mit No Doubts oder The Window gab es Klassiker aus einer anderen Zeit mit anderem Namen oder auch neue Auswürfe wie zum Beispiel After The Rain. Das Ganze wurde durch Marion sowie Keyboarder Javier und Sohnemann Max an der Gitarre vorgetragen. Minimalistisch anmutend war der sehr tanzbare, elektronische Wave ziemlich gut angebracht und erfreute viele angereiste Freunde der dunklen Töne. Unter eben dem Namen Marion Küchenmeister & Band sind diese also aktuell rege aktiv. Ein neues Album ist angedacht und wird gewiss ein Ohrenschmaus, besonders für Freunde der britischen Combo New Order, denn einige Lieder erinnerten nicht nur an die Musikstrukturen der bekannten Briten, sondern mit Temptation kam direkt noch eine Coverversion derer in die abendliche Liederauflistung. Und dass nach einer knappen Stunde der abschließende Song Love Will Tear Us Apart war, machte das Gesamtbild selbstredend. Auch wenn ein ungewohnter Name künftige Veröffentlichungen ziert, die Musik ist es, was das Trio ausmacht – keine Worte und Buchstaben.

Marion Küchenmeister & Band
photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com

Wer in den Umbaupausen nicht gerade feste oder flüssige Nahrung zu sich nehmen wollte, konnte indes eine Etage tiefer nach den jeweiligen Veröffentlichungen der zuvor aufgetretenen Musiker schauen und gar das ein oder andere Wort mit diesen wechseln – denn kontaktfreudig waren alle aufgetretenen Interpreten. Dazu wurden auch Kleidungsteile wie T-Shirts, Aufkleber oder ähnliche Fan-Ware angeboten, welche die Zuneigung zu den Künstlern aufzeigen sollte. 
Zumindest auf der Bühne machte an dem ersten Abend des zweitägigen Treibens die deutsche Gothic-Rock Gruppe AEON SABLE den Abschluss. Darauf hatten sich wohl nicht nur die Veranstalter wahnsinnig gefreut, dass die Jungs ein weiteres Mal auf dieser Zusammenkunft auftraten, sondern auch die angereisten Fans, denn diese machten den Saal nun sehr voll. Nach dem Intro XIV stieg das Quartett mit Burn For Salvation in eine Reise durch die Bandgeschichte ein, welche nun schon gute 14 Jahre läuft. Und in die Zukunft wurde auch schon geplant, der sehr agile Sänger Nino Sable verkündete erfreut von dem neuen Machwerk For The Graves & The Water, was nachfolgend auch gespielt wurde, sowie einem in Arbeit befindlichen Longplayer. In einer tollen Lichtshow mit sehr guter Geräuschkulisse wirkte Nino wie der Tiger mit Löwenmähne und aufgemalter Zorro-Maske. Seine Mitstreiter suchten sich zwischen seinen Laufmetern ihren Platz auf der Bühne und obwohl ein Schlagzeug noch das I auf dem Tüpfelchen der Gruppe gewesen wäre, hätte es wohl des Sängers Bewegungsfreude eingeschränkt. AEON SABLE verzauberten die Menge mit Liedern wie Quaalude Tango oder dem so tanzbaren Visions. Ihre Spielfreude war eigentlich mit jedem Ton zu vernehmen, was sich am Ende mit einem wunderbar inszenierten White Snow zum Höhepunkt brachte und diesen über das episch wirkende Praying Mantis ausdehnte. Tatsächlich waren AEON SABLE an diesem Tage – übrigens ihrem insgesamt 50. Auftritt – in Bestform und brachten den ersten Abend unter dem dunklen Himmel zu Witten mit ihren siebzig Minuten zu einem wunderbaren Ende.



AEON SABLE
photo: © Ralf Michael Benfer - benfisworld.blogspot.com

Wer jedoch nicht genug hatte, dem war vorgesorgt. Die namenhaften Diskjockeys wie DJane ließen anschließend die Plattenteller heiß laufen, um die gewillten Tanzbeine bis tief in die Nacht zu befriedigen. Und das Allerbeste war, dass dies nicht der rühmliche Abschluss des diesjährigen Spektakels gewesen war, sondern quasi erst Halbzeit – es gab noch einen ganzen weiteren Abend, von dem ich euch später auch berichten werde.

Diesen Bericht ermöglichten DSOW Underground Kultur und Monkeypress - vielen lieben Dank!

Datum: 24.03.2023
Ort: Witten
Location: Werk°Stadt
Spieldauer: Days Of Sorrow 50 min. / Sweet Ermengarde 50 min. / Marion Küchenmeister & Band 60 min. / Aeon Sable  70 min.

Setlist DAYS OF SORROW:
01. Travel
02. Shadows
03. Keep Dreaming
04. Lost
05. Bleed
06. Mortal Vertigo
07. Kill The World
08. Wild World
09. Firestar

Setlist SWEET ERMENGARDE:
01. Fragments
02. Faith Healer
03. Sweet Sacrifice
04. Typhonian Trance
05. Near Dark
06. Carmilla
07. Dreamlands
08. A Promise To Fulfil
09. Standing By The Sea

Setlist Marion Küchenmeister & Band:
01. Intro & Sex Symbol
02. No Doubt
03. Lonely Heart
04. Demand For Supply
05. Insight
06. Natalie
07. After The Rain
08. The Window
09. Temptation
10. Golden Dreams
11. Love Will Tear Us Apart

Setlist AEON SABLE:
01. Intro XIV
02. Burn For Salvation
03. Quaalude Tango
04. Fabulous Land
05. Dancefloor Satellite
06. For The Graves & The Water
07. At The Edge Of The World
08. Visions
09. Star Casualties
10. White Snow
11. Praying Mantis

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